Bring Your Own Device

«Es gibt noch enorm viel Verbesserungspotenzial»

Von Andreas Villiger

Die Spezialität der KME ist der Präsenzunterricht, und dieser geniesst nach wie vor einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig verändert sich aber das Lernumfeld der Studierenden rasant. Die Zeit, als der PC nur eingesetzt wurde, um Texte zu schreiben oder Folien zu präsentieren, ist definitiv vorbei. Der digitale Wandel hat nicht nur die Berufswelt, sondern auch die Schule längst erfasst. Am 31. Januar 2019 hat die Schulleitung der KME die schrittweise Einführung von reinen BYOD-Klassen auf das Herbstsemester 2019/20 beschlossen. Die neuen Klassen des Basisjahres sowie alle PH-Klassen werden fortan den Computer dort einsetzen, wo er didaktisch einen Mehrwert bringt und methodisch sinnvoll ist. Ab Herbstsemester 2020/21 werden alle Studierenden der KME mit ihrem eigenen Gerät unterwegs sein.

Unter dem Akronym BYOD (= Bring Your Own Device) bahnt sich eine Veränderung der bisherigen Lehr- und Lernpraxis an, die sowohl Studierende als auch Lehrende vor neue Herausforderungen stellt.
Nun gibt es aber an der KME schon einige Studierende, die aus eigenem Antrieb ausschliesslich mit dem Notebook oder dem Tablet arbeiten, auf Papierkopien verzichten und damit ihr Lernen völlig neu organisieren. Wie lernt man mit dem Notebook? Welche Vorzüge bringt BYOD mit sich?
Andreas Villiger hat Nina Diriwächter (G5e) und Dennis Thadathil (G5a) am 22. November 2019 getroffen und ihnen dazu Fragen gestellt.

«Positiv ist, dass ich keine Bücher und keine Arbeitsblätter mit mir herumschleppe.»

Seit wann arbeiten Sie im Unterricht fast ausschliesslich mit ihrem eigenen Laptop bzw. Tablet?

DENNIS THADATHIL: Seit einem Jahr. Ich bin ein bisschen ein Chaot. Wenn ich nur mit losen Blättern arbeite, verlege bzw. verliere ich alles nach zwei oder drei Wochen, und das wollte ich irgendwie vermeiden. Jetzt habe ich alle Unterlagen an einem Ort gespeichert. Sie gehen nicht verloren.

NINA DIRIWÄCHTER: Ich habe früher lieber mit Papier gearbeitet, aber seit ich im Sommer 2018 mit der KME begonnen habe, arbeite ich fast ausschliesslich mit dem Tablet. Während meiner Ausbildung zur Geomatikerin war der Computer ein wichtiges Thema, und wir haben schon in der Berufsschule immer wieder mit dem Laptop gearbeitet.

Wenn man sich entscheidet, zu BYOD zu wechseln, muss man sich ganz neu organisieren. Was waren für Sie die wesentlichen Schritte?

DENNIS THADATHIL: Ich arbeite vorwiegend mit OneNote, einer sehr verbreiteten Software von Microsoft, die den PC als digitalen Notizblock nutzt. Der Umgang mit OneNote ist recht simpel. Man geht eigentlich gleich vor wie mit Papier und Bleistift, nur eben digital.

NINA DIRIWÄCHTER: Ich lege auch die Arbeitsblätter und die Notizen in OneNote ab und wenn ich für den Unterricht Texte produzieren muss, z.B. Aufsätze im Deutschunterricht, dann habe ich noch für jedes Fach einen Ordner, wo ich meine Texte ablege.

Während des Unterrichts müssen Sie immer wieder Notizen nehmen. Wie gehen Sie mit diesen um?

DENNIS THADATHIL: Ich fotografiere meistens die Arbeitsblätter, dann lade ich sie in OneNote hoch und fertige meine Notizen direkt auf dem fotografierten Arbeitsblatt an. Wenn ich mehr Platz für Notizen brauche, dann habe ich in OneNote neben dem Arbeitsblatt genug Platz. Mit dem iPad ist es manchmal unpraktisch, weil der Platz beschränkt ist, aber irgendwie geht es schon.

NINA DIRIWÄCHTER: Ich habe in OneNote rechts vom Arbeitsblatt sehr viel Platz. Den nutze ich für meine Notizen. Ich achte auch immer darauf, dass ich meine Notizen dem Skript zuordnen kann. Lose Notizen können recht verwirrend sein.

Kommt es vor, dass Sie gewisse Unterlagen nicht mehr finden?

DENNIS THADATHIL: Einmal habe ich aus technischen Gründen mehrere Arbeitsblätter verloren. Es kommt vor, dass ich die Übersicht über meine Notizen verliere und nicht mehr weiss, wo ich was geschrieben habe.

NINA DIRIWÄCHTER: Bis jetzt ist mir das noch nie passiert.

Früher hat man sich mit Büchern, Kursskripts und handschriftlichen Notizen auf eine Prüfung vorbereitet. Wie bereitet man sich auf eine Prüfung vor, wenn man mit BYOD arbeitet?

NINA DIRIWÄCHTER: Es gibt tatsächlich Unterschiede. Wenn ich auf eine Prüfung lerne, dann schreibe ich Zusammenfassungen oder Karteikarten, und zwar – es tönt vielleicht etwas komisch – auf Papier. Zum Beispiel den Stoff für eine Biologieprüfung halte ich auf Papier fest, weil ich dann schön schreiben und mit Farben Wichtiges festhalten will.

DENNIS THADATHIL: Ich bereite mich digital vor. Ich habe einen Ordner mit dem Stoff und gehe die abgelegten Arbeitsblätter durch. Ich schaue mir meine Unterrichtsnotizen an und erstelle am Schluss eine Zusammenfassung in OneNote.

«Ich schätze es manchmal, nur mit Papier und Stift zu arbeiten.»

Sie haben nun beide mehr als ein Jahr Erfahrung im Umgang mit BYOD gesammelt. Inwiefern hat der digitale Wandel ihren Lernprozess beeinflusst?

NINA DIRIWÄCHTER: Es gibt sowohl positive als auch negative Aspekte. Als Nachteil empfinde ich es, wenn man zum Beispiel mehrere Unterlagen auf einem Bildschirm gleichzeitig vor Augen haben muss. Dann kommt der Computer an seine Grenzen. Das ist auch der Grund, warum ich Zusammenfassungen jeweils auf Papier festhalte. Ich kann dann sowohl auf den Bildschirm als auch auf mein Blatt schauen. Wenn man beides auf dem Bildschirm hat, ist die Schrift sehr klein und man verliert die Übersicht. Positiv ist, dass ich keine Bücher und keine Arbeitsblätter mit mir herumschleppe. Ich habe alles auf dem Laptop.

DENNIS THADATHIL: Das sehe ich gleich. Man hat immer alles dabei. Dass der Platz auf dem Bildschirm beschränkt ist, sehe ich auch als Nachteil. Bei mir kommt hinzu, dass ich mich schnell ablenken lasse. Auf einem Tablet kann man nicht nur lernen, man kann auch im Internet surfen und landet dann am Schluss irgendwo. Ich schätze es deshalb manchmal, nur mit Papier und Stift zu arbeiten und fotografiere am Schluss mein Blatt. Aber das geht nicht in jedem Fach.

Besteht die Gefahr, dass man während des Unterrichts plötzlich in den Tiefen des Internets versinkt?

DENNIS THADATHIL: Das kommt stark auf die Konzentrationsfähigkeit und die Arbeitsdisziplin jedes Einzelnen an. Wenn ich spüre, dass es mir an Disziplin zu mangeln beginnt, muss ich lernen, mich auf wenig zu fokussieren. Deshalb die radikale Reduktion auf ein weisses Blatt und einen Stift.

NINA DIRIWÄCHTER: Ich finde das Handy fast schlimmer, da es mich mehr ablenkt als das Tablet. Das Tablet ist für mich ein reines Arbeitsgerät, das ich in meiner Freizeit kaum nutze. Auch sehe ich es als Vorteil, während einer Schulstunde Zugriff auf das Internet zu haben.

Sie wissen, dass die KME eine BYOD-Offensive gestartet hat. Braucht eine Schule heute BYOD-Klassen?

DENNIS THADATHIL: Die Idee finde ich gut. Es ist wichtig, dass man diesen Schritt offiziell gestaltet und zumindest eine Testphase ins Auge fasst. Wichtig scheint mir, dass man auch die zusätzlichen Kosten, die für die Studierenden anfallen, mitberücksichtigt.

 

NINA DIRIWÄCHTER: Ich habe gestern noch mit meiner Familie darüber gesprochen. An Fachhochschulen ist es bereits seit längerem so, dass nichts mehr ausgedruckt wird. Insofern kommt dieser Schritt an der KME im Gegensatz zu anderen Schulen eher spät, aber es ist der richtige Schritt. Wenn jemand unbedingt mit Papier arbeiten will, kann er seine Arbeitsblätter immer noch selbst ausdrucken. – Später hat man in jedem Beruf mit dem Computer zu tun. Es ist deshalb völlig normal, dass die Schulen auf die spätere Berufswelt vorbereiten.

«Vielen Lehrpersonen fällt es schwer, mit diesen Tools zu arbeiten.»

Die KME setzt schon seit langem auf Digitalisierung. Der Unterrichtsstoff ist auf Lernplattformen wie Moodle abgelegt, den Einsatz von OneNote im Unterricht haben Sie beide hervorgehoben. Zudem setzen die Lehrpersonen auch die unterschiedlichsten Lerntools und Apps in ihrem Unterricht ein. Kann die KME beim digitalen Wandel, dem die gesamte Bildungslandschaft zurzeit unterworfen ist, Ihrer Meinung nach mithalten?

NINA DIRIWÄCHTER: Nein, ich denke noch nicht. Vielen Lehrpersonen fällt es schwer, mit diesen Tools zu arbeiten. Einige bemerken erst beim Verteilen der Arbeitsblätter, dass sie diese noch auf die Lernplattform hochladen sollten. Dann sitzt man vor seinem Computer und wartet, dass die Blätter hochgeladen sind.

Manchmal klappt’s dann nicht. Andere Lehrpersonen nutzen weder Lernplattformen noch OneNote. Schliesslich gibt es jene, die digitale Medien sehr chaotisch nutzen, d.h. weder Ordner noch Gliederungen erstellen. Hier gibt es noch enorm viel Verbesserungspotenzial. Die Tools an sich – Moodle, OneNote etc. – finde ich hingegen gut.

DENNIS THADATHIL: Das sehe ich ähnlich. Die Infrastruktur ist stabil, die Tools laufen gut. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu Moodle bessere Alternativen gäbe.

NINA DIRIWÄCHTER: Ich würde es begrüssen, wenn die Unterlagen einheitlich abgelegt wären. Man könnte eine Lehrerweiterbildung durchführen, damit das alle Lehrpersonen gleich handhaben. Bei einigen Lehrpersonen ist die Struktur übersichtlich, bei anderen suche ich jedes Mal nach den Unterlagen, weil es keine Unterordner gibt.

BYOD wird bald für alle Studierenden der KME Realität. Sie beide sind Vorreiter dieser Entwicklung. Welchen Tipp können Sie den Studierenden geben, die in Zukunft wie Sie werden arbeiten und lernen dürfen?

NINA DIRIWÄCHTER: Es lohnt sich, in ein gutes Gerät zu investieren. Das Surface ist im Vergleich zu anderen Laptops oder Tablets zwar relativ teuer, aber diese Anschaffung hat sich für mich wirklich gelohnt.

DENNIS THADATHIL: Ich glaube, man muss immer offen sein für Veränderung. Veränderung ist das Einzige, was heute noch konstant ist. Das ist für viele sicher schwierig, aber das gehört eben dazu.

Frau Diriwächter, Herr Thadathil, vielen Dank für das Gespräch.

Nina Diriwächter (21) hat eine Lehre als Geomatikerin gemacht, fühlte sich dort aber nicht ganz an ihrem Platz. Deshalb hat sie sich entschlossen, die KME zu besuchen. Sie würde es reizen, nach der Matur Veterinärmedizin zu studieren.

Dennis Thadathil (22) hat nach einer KV-Lehre und einem Zwischenjahr mit der KME angefangen, weil er wissen wollte, ob er auch das Gymnasium schaffen würde. Nach der Matur möchte er irgendetwas in den Naturwissenschaften studieren. Seit Semesterbeginn hat er die Gelegenheit, am Schülerstudium teilzunehmen und eine Vorlesung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät (Analysis I) an der Uni zu besuchen.

Text: Andreas Villiger
Bilder: Roberto Huber