«Ich bin ein schlechter Erfinder!»
«Grüessech KME im Züri Seefeld.» Eine volle Aula – Begrüssungsworte von Lukas Bärfuss, die wie ein Slogan für die KME klingen.
Bärfuss las aus seinem Roman «Hagard» und hatte die Textstelle sehr bewusst gewählt. Die Lesung setzte ein, als der Protagonist in der Stosszeit beim Zürcher Bellevue unterwegs ist, in dem Moment als sich sein Blick zum ersten Mal an den pflaumenblauen Ballerinas einer Frau Mitte zwanzig festhakt.
Der grösste Teil der Zuhörenden kennt diesen Ort bestens, kommt jeden Tag dort vorbei und mancher sah sich wohl selbst als Teil der Szenerie, als Passant, der die Ballerinas aber übersehen hatte.
Das Gespräch war äusserst angeregt.
Bärfuss, nach der Inspiration für seine Texte befragt, sprach davon, dass Inspiration etwas für Amateure sei, dass er ein schlechter Erfinder sei, dass es nicht sein Ziel sei, etwas Komplexes zu schaffen, dass seine Texte auch für ihn ein Geheimnis blieben.
Das sei gut so, denn jedes gelöste Geheimnis sei auch eine Entzauberung der Welt.
Er verwies dabei auf die Fermatsche Vermutung, die nun bewiesen ist.
Überraschend für viele war wohl, dass Bärfuss dafür plädierte, von Hand zu schreiben. Spurlos zu korrigieren sei schlecht. Wer von Hand schreibe, könne das nur etwa drei Stunden tun und bleibe damit fokussiert».
Eine Leserin stellte die Frage, wieso plötzlich von Schuhen mit Absätzen die Rede sei, Ballerinas seien doch flache Schuhe. Bärfuss, der davon gesprochen hatte, dass er ein eifersüchtiger Schriftsteller sei, der seine Leser ganz für seinen Text beanspruche, hatte seine Wunschleserin gefunden. Der Schuhwechsel ist ihm tatsächlich entgangen.
Bärfuss, der Erzähler, warnte am Schluss: Es gäbe heute viele gute Erzähler, auch unter den Politikern. Gute Erzählungen leben davon, dass wir nie wissen, was als Nächstes passieren wird. Wer diesen Trick befolgt, hat die Aufmerksamkeit seiner Zuhörerschaft auf sicher. Aber nicht alle, die unsere Aufmerksamkeit wollen, meinen es gut.
Die Lesung von Lukas Bärfuss als Video (5’17)
Vielen Dank an Lukas Bärfuss, vielen Dank an Anne Broger und Andreas Villiger vom SLZ der KME, dass diese Begegnung möglich wurde.