Digitalisierung im Physikunterricht

Die unbegrenzten Möglichkeiten und ihr Mehrwert

Von Hubert Mathis

Versteht man unter «Digitalisierung» den Einsatz elektronischer Hilfsmittel, dann hat diese in der Physik eine lange Tradition. Bereits seit vielen Jahren benützen die Studierenden im Praktikum Laptops und Messgeräte, um physikalische Prozesse zu visualisieren.
Die Physik-Lehrpersonen arbeiten primär mit eigenen Skripten. Die Dokumente werden im Unterricht am Laptop bearbeitet mit dem Beamer projiziert.

Diese Technik ist seit Längerem in der Physik Usanz. Schon bevor das BYOD für die Lehrpersonen obligatorisch wurde, waren in den drei Physik-Zimmern fest installierte PCs vorhanden. Auch der langjährige Physik-Lehrer Andi Stöckli – pensioniert 2014 – benützte kaum je einen Hellraumprojektor. Interessanterweise gab es bereits vor vielen Jahren vereinzelt Studierende, die das Tablet zur Bearbeitung der Skripten benützten.

Heute werden für die BYOD-Klassen Unterrichtsmaterialien digital auf Moodle, OneNote oder Teams zur Verfügung gestellt. Bei den Studierenden stösst die Umstellung auf mehr oder weniger Freude. Geschätzt wird vor allem, dass nicht mehr so viel Material mitgeschleppt werden muss und dass stets alle Materialien zur Verfügung stehen. Die gängigen Formelsammlungen stehen heute als E-Book zur Verfügung.
Ein sauberes Kräftediagramm auf dem Tablet zu erstellen ist jedoch nicht ganz einfach. Auch bereitet die Organisation zwischen Skripten, Formelsammlung und Übungsblättern einigen Studierenden Mühe.

«Dennoch kann keine Simulation ein echtes Experiment ersetzen.»

Studierenden und Lehrpersonen stehen ausserdem eine Vielzahl von Apps, Simulationen und Videofilmen zur Verfügung. Ein besonders hilfreiches Angebot bietet das deutsche Webportal «Leifi-Physik». Bereits seit 2001 können auf dieser Website Simulationen, Filme, ausführliche Erklärungen sowie Übungen mit Lösungen zu fast allen Teilgebieten der Physik abgerufen werden. Die Website ist sehr zuverlässig und wird auch von den Studierenden geschätzt.

Dennoch kann keine Simulation ein echtes Experiment ersetzen. Ein Fahrzeug, das – begleitet von dramatischem Dröhnen – über die Luftkissenbahn fährt, veranschaulicht das «Trägheitsgesetz» viel eindrücklicher als jede noch so gute App.
Filme und Simulationen drängen sich dann auf, wenn der physikalische Versuch technisch heikel oder gefährlich ist. Und natürlich sind nicht alle schönen Versuche erschwinglich.

Die zukünftigen Klassen im Lehrgang «Teilzeit-KME» stellen die Fachschaft Physik vor eine anspruchsvolle Herausforderung. Nicht wenige Phänomene in der Physik widersprechen der Intuition und bedürfen deshalb genauer Erklärungen der Lehrperson. Die Studierenden in diesem Lehrgang sollen digital unterstützt werden. Geplant ist, das Thema «Kreisbewegung» vollständig in die Selbstlern-Lektion auszulagern. Roberto Huber hat deshalb zusammen mit Elisabeth Daix und Hubert Mathis ein Projekt bei HSGYM eingereicht. Ziel ist es, digitale Unterrichtsmaterialien für die Studierenden zur Verfügung zu stellen. Einerseits sollen die Studierenden eigene Experimente und Messungen mit dem Smartphone durchführen (z.B. mit dem Programm «PhyPhox»).

«Nicht wenige Phänomene in der Physik widersprechen der Intuition und bedürfen deshalb genauer Erklärungen der Lehrperson.»

Andererseits sollen Versuche, welche die Studierenden nicht selber durchführen können, als Videos bereitgestellt werden. Roberto Huber hat eigens dazu eine Weiterbildung zum Programm «AfterEffects» absolviert. Mit «AfterEffects» können Animationen erstellt werden. Hinzu kommen die entsprechenden Dokumentationen, Anleitungen und Lernkontrollen.

Gute Lernvideos sind lernwirksam, aber zeitaufwendig. Dies zeigte sich auch in einer sehr guten Maturarbeit einer Studierenden, die zwei Videos zu physikalischen Versuchen erstellte.

 

Vor vielen Jahren stellte sich der Schreibende die Frage, ob es noch zeitgemäss sei, handgeschriebene Musterlösungen zu verteilen, oder ob er sie mit einem Computer-Programm erstellen sollte. Der langjährige Mathematik-Lehrer Hannes Aeppli riet ihm: «Überlege Dir stets, welchen Mehrwert das den Studierenden bringt.»
In diesem Sinne steht auch die Physik-Fachschaft stets vor der schwierigen Frage, welche Unterstützung die Studierenden wirklich brauchen.

Text: Hubert Mathis
Bilder: Roberto Huber